Gedanken zur Atomkraft in der Schweiz
Als ich 1963 vom Progymnasium Olten in die 6. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Solothurn übertrat, stand der Bau eines thermischen, ölgeheizten Kraftwerkes in Flumenthal zur Diskussion. Der Vater eines neuen Freundes klärte uns über die Umweltprobleme auf, die mit solchen Anlagen verbunden seien. Er bewegte sich in Kreisen der Dutti-Partei, der LDU. Abzuwarten lohne sich. In Bälde würden wir von den Amerikanern Atomkraftwerke ab Stange kaufen können, die sauberen Atomstrom so billig produzieren würden, dass sich Installationen von Stromzählern in Privathaushalten nicht mehr lohnen würden, dass der Strom dann praktisch gratis sein würde. Das imponierte dem 18-jährigen Gymnasiasten total. Dass es nicht der Wahrheit entsprach, wussten weder der Vater meines Freundes noch die meisten Politiker. Dass ein Risiko mit derartiger Stromproduktion verbunden sein könnte, wurde verschwiegen, aber klar schien es schon bald. Die Physiker mussten informiert gewesen sein, denn Weinberg schrieb in einer Publikation 1972:
We nuclear people have made a Faustian bargain with society. On the one hand we offer—in the catalytic nuclear burner (i.e., the breeder)—an inexhaustible source of energy. Even in the short range, when we use ordinary reactors, we offer energy that is cheaper than energy from fossil fuel. Moreover, this source of energy when properly handled is almost nonpolluting. Whereas fossil-fuel burners emit oxides of carbon, nitrogen, and sulfur... there is no intrinsic reason why nuclear systems must emit any pollutant except heat and traces of radioactivity.
But the price that we demand of society for this magical source is both a vigilance from and longevity of our social institutions that we are quite unaccustomed to. [1]
Getäuscht hat sich dieser Physiker vor allem im tiefen Preis. Aber nicht nur darin, denn um unsere so genannt sauberen AKW
- ist die Häufigkeit der kindlichen Leukämie höher als fern von diesen Anlagen,
- die Stromhandelspreise sind so tief, dass Atomstrom nur noch defizitär produziert werden kann,
- dass dieser Strom nicht CO₂-frei produziert wird,
- dass der Uranabbau ganze Landstriche verseucht und vor allem indigene Bevölkerungsgruppen der Lebensgrundlagen beraubt.
- Die schweizerischen AKW-Betreiber sind nahe am Konkurs und wollen ihre Anlagen zu Schleuderpreisen verkaufen. Käufer finden sich keine.
- Und: Wie wir die toxischen Abfälle aus den AKW entsorgen sollen, weiss kein Mensch.
Um dieser gefährlichen, unrentablen und potentiell die Versorgungssicherheit gefährdenden Technologie auszuweichen (zur Zeit stehen aus technischen Gründen ungeplant zwei von fünf AKW in der Schweiz still), wurden in diesem Land bisher sieben Intiativen für Verfassungsänderungen lanciert. Die letzte von den 'Grünen', die für 'Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie (Atomausstiegsinitiative)'; sie wurde soeben am 27. November 2016 von Volk und Ständen abgelehnt.
[1] Social Institutions and Nuclear Energy, Science 07 Jul 1972: Vol. 177, Issue 4043, pp. 27-34